Über hundert Zuhörer waren in der Stadtbücherei gekommen, als die aus St. Ingbert stammende Politikwissenschaftlerin und Sicherheitsexpertin Sabine Fischer zu einem Gespräch über ihr aktuelles Buch “Der russische Chauvinismus – Putins Kriege und Europas Antworten” in ihre alte Heimat zurückgekehrt war.
Ihre von den Medien bei den Themen Osteuropa und Sicherheit stark nachgefragte Expertise speist sich aus einem tiefen Verständnis Russlands, das sie seit vielen Jahren als Forschungsgegenstand und Lebenswelt nicht mehr losließ.
Die Buchhandlung Friedrich hatte zu dieser Autorenbegegnung eingeladen, die als Dialog und nicht als Vorlesestunde konzipiert war. Jürgen Bost, Sprecher des St. Ingberter Literaturforums, stellte dem Auditorium seinen prominenten Gast vor und führte mit präzisen Fragen und Impulsen durch den Abend.
Das Gespräch begann mit einer Definition des russischen Chauvinismus, einer Trias aus Nationalismus, Sexismus und Autokratie, ohne dessen Betrachtung sich der aggressive Vernichtungskrieg gegen die Ukraine nicht begreifen lässt. Sabine Fischer legt in ihrer Untersuchung großen Wert auf die feministische Perspektive und betont immer wieder den Zusammenhang von nach außen gerichteter Gewalt und Geringschätzung der Frauen im privaten Bereich. Aggressive Hypermaskulinität und Frauenfeindlichkeit gehen nach ihrer Analyse in der russischen Gesellschaft eine untrennbare Verbindung ein. Krieg werde im ständig wiederholten Narrativ letztlich als Verteidigung gegen die Politik des Westens während des Verfalls der Sowjetmacht dargestellt. Momente der Gegenbewegung und Demokratisierung hätten keine reale Chance gehabt. Es gebe für die Herrschenden keine Alternative zur erklärten Abkehr von Europa und zum letztlich von den Eliten um Putin erwarteten militärischen Sieg.
Der mit brutaler Logik beschrittene Weg zur Diktatur werde von jahrzehntelangen Kriegen auf unterschiedlichen Schauplätzen begleitet, habe die Gesellschaft geformt und ein großes Gewaltreservoir geschaffen. Zur hybriden Kriegsführung gehören permanente Versuche einer Delegitimierung liberaler Demokratien, Desinformationskampagnen, Trollfabriken und Cyberattacken, gezielte Wahleinmischungen wie beim Brexit ebenso wie politische Morde. Europa biete in der aktuell schwierigen Lage viele Angriffsflächen: Gesellschaftliche Polarisierung, sozioökonomisches Ungleichgewicht, Anfälligkeit für populistische Konzepte und die Digitalisierung der Kommunikation seien hier vorrangig zu nennen. Globale Kräfteverschiebungen hin zu einer neuen Weltordnung kommen in Sabine Fischers luzider Darstellung ebenso zur Sprache wie mögliche Szenarien für die Zukunft.
In ihrem gut lesbaren und sehr persönlich gehaltenen Buch wirft die Autorin zentrale Fragen auf und gibt kluge Antworten. Der Abend hinterließ bei den Zuhörern einen starken Eindruck und endete, wie wohl leider zu erwarten war, nicht in einer optimistischen Lagebeurteilung: “Zu wirklichen Frieden, der über die reine Abwesenheit von Gewalt hinausgeht, gehört Versöhnung (…). Solange das Putin-Regime in der Ukraine weiter Bomben wirft, brandschatzt, Menschen entführt, vergewaltigt und ermordet, während die russische Gesellschaft all das mehrheitlich mitträgt, ist Versöhnung ausgeschlossen.”
So steht es in ihrem im Econverlag erschienenen gut verständlich geschriebenen Sachbuch zu lesen. Die Autorin zeigte sich am Ende des Abends hoch zufrieden: Sabine Fischer bedankte sich für die lebhafte Diskussion und erklärte, es sei ihr eine große Freude gewesen, das Buch auch in ihrer Heimatstadt St. Ingbert vorstellen zu können.
Bild: Sonja Colling-Bost