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Schriftstellerinnen im Grand Hotel

Die Rundschau St. Ingbert


„Literatur von Frauen der Weimarer Republik“ – Ein literarisches Erlebnis der besonderen Art


Auch in diesem Jahr machten die außergewöhnlichen Literaturkenner Thomas Kuhn und Stefan
Schwarzmüller auf Einladung der KEB Saarpfalz und des St. Ingberter Literaturforums ILF wieder
Station in der St. Ingberter Stadtbücherei . Im Gepäck hatten sie ihr neues Programm mit dem Titel
„Literatur von Frauen der Weimarer Republik“, das diese ebenso schillernde wie dramatische Epoche
der deutschen Geschichte sehr präsent widerspiegelte. Imaginierter Treffpunkt war die Rezeption
eines Berliner Grand Hotels, und die beiden Rezeptionisten begrüßten hier nicht Revuetänzerinnen,
Stubenmädchen oder Tippmamsells oder gar die anwesenden St. Ingberter Bürger, sondern die
feminine literarische Avantgarde der Zwanziger Jahre, unterhielten sich über die Verfasserinnen oder
ließen deren Hauptfiguren lebendig werden.
Lebhaft zum Ausdruck kam das neue Lebensgefühl von Freude und Schaffensgeist bei Frauen, die aus
dem Bild des Mannes heraustraten und eigene Lebensentwürfe gestalteten. Zu Wort kamen die
Journalistin und Gerichtreporterin Gabriele Tergit, die von der Bühnen- zur Schreibkunst wechselnde
Irmgard Keun, die nach Hollywood übergesiedelte Bestsellerautorin Vicki Baum, die Brecht eng
verbundene Ingolstädterin Marieluise Fleißer und die vor allem durch ihre Exilromane weltberühmt
gewordene Mainzerin Anns Seghers.
Es wurde nicht einfach nur gelesen, sondern auch gespielt und inszeniert, erläutert und zum
Nachdenken animiert. Zum ersten Mal hatten sich Kuhn und Schwarzmüller für ihr Programm
personelle Verstärkung an Bord geholt: Der Pianist Lukas Neuberger, seines Zeichens Deutschlands
jüngster Chorleiter, verlieh dem Literaturabend durch seine musikalische Untermalung besonderen
Reiz und ließ zeitgenössische Schlager und Evergreens dezent in die Aufführung mit einfließen.
Alle zitierten Namen standen auf der Liste des von den Nationalsozialisten als schädlich und
unerwünscht diffamierten Schrifttums, was beim Auditorium starke Betroffenheit auslöste. Sämtliche
dargestellten Lebensläufe wurden über die Zeit von Vertreibung und Exil bis zur Wiederentdeckung
der lange verbotenen Werke im geteilten Nachkriegsdeutschland noch zu Ende geführt. All das, wie
ein Besucher feststellte, ohne erhobenen moralischen Zeigefinger. Langer Beifall belohnte die
Akteure des Abends, denen KEB-Leiterin Gertrud Fickinger im Namen aller Anwesenden herzlich
dankte.
Dem hatte ILF-Sprecher Jürgen Bost nur noch die Ankündigung der kommenden Lesungen
hinzuzufügen: Am Mittwoch, dem 16. November 2022, wird der Fernsehjournalist und
Bestsellerautor Benjamin Cors seine in der Normandie angesiedelte Krimireihe um den
Personenschützer Nicolas Guerlain präsentieren, und am Mittwoch, dem 30. November 2022, wird
Dagmar Leupold aus München nach St. Ingbert reisen und ihren von Kritik und Lesern gleichermaßen
gefeierten Roman „Dagegen die Elefanten“ in der Stadtbibliothek vorstellen.

Foto: Sonja Colling-Bost

Frederik Hartmann

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