Wie können wir sicherstellen, dass alle Menschen jeden Tag rund um die Uhr mit Energie und Wasser versorgt werden, und zwar bezahlbar und umweltfreundlich? Dieser Grundfrage der Energiewende geht Oberbürgermeister Dr. Ulli Meyer auf seiner Sommertour 2023 nach. Sein erster Gesprächspartner ist Jürgen Bach, Geschäftsführer der Biosphären-Stadtwerke St. Ingbert.
In der sogenannten „All Electric Society“ steigt der Strombedarf ständig: Privathaushalte, Produktionshallen, Rechenzentren, E-Fahrzeuge … die Liste der Stromverbraucher wird immer länger. Selbstverständlich möchte auch niemand im Winter im Kalten sitzen. 180 Mio. kWh Strom und 456 Mio. kWh Wärme werden in St. Ingbert pro Jahr genutzt. Die Energiequellen sind heute vielfältig: Neben den endlichen fossilen Brennstoffen wie Kohle und Gas werden Strom und Wärme aus erneuerbaren Energien wie Wind und Sonne gewonnen. Doch die sind nicht kontinuierlich in ausreichender Menge verfügbar und müssten zur Abdeckung des Bedarfs in Spitzenzeiten gespeichert werden, wozu es bis heute keine kosteneffizienten Speicherlösungen mit ausreichender Kapazität gibt. Auch der Betrieb von Biomasseheizkraftwerken kann nicht die Lösung für die Wärmeversorgung ganzer Städte sein. Allein die Stadtwerke St. Ingbert würden jedes Jahr 50.000 LKW-Ladungen Brennstoff benötigen, wollte man alle Kunden mit Wärme aus einem Holzhackschnitzelheizwerk versorgen. Eine gute Lösung können unter anderem Wärmepumpen sein, die in Neubauten schon heute umfassend zum Einsatz kommen. Doch viele ältere Gebäude eignen sich nicht ohne Weiteres für diese Technologie. Wasserstoff kann als Energieträger perspektivisch Teil der Lösung sein; er kann sowohl zur Wärmeerzeugung als auch als Speichermedium genutzt werden. So kann in Zeiten mit Energieüberschuss Wasserstoff erzeugt und dieser dann bei Bedarf wieder zur Stromerzeugung genutzt werden. Allerdings benötigt man zur Speicherung von flüssigem Wasserstoff Temperaturen von -250 °C. Und auch dafür wird wieder Energie benötigt.
Umbruch durch Energiemix und Einsparungen bewältigen
Nahwärme ist eine weitere vielversprechende Option für die Beheizung von Gebäuden, die derzeit in aller Munde ist. „Dies prüfen wir in St. Ingbert bereits intensiv“, so Ulli Meyer. Wie die Wärme erzeugt werden soll, ist bei diesen Überlegungen eine der Kernfragen. Die Geologie im Saarland als Bergbauregion ist gut untersucht und die Erkenntnisse könnten bei der Prüfung von Geothermie als Wärmequelle genutzt werden. So könnte man die Erdwärme nutzen, um viele Haushalte, aber auch Geschäftsansiedlungen wie die Alte Schmelz, das WVD-Gelände, die Baumwollspinnerei und andere in St. Ingbert zuverlässig zu versorgen, erläuterte auch Hans-Henning Krämer, Klimaschutzmanager der Stadt St. Ingbert. Doch auch diese auf den ersten Blick zuverlässige Lösung birgt Herausforderungen: Die Testbohrungen bis in eine Tiefe von mehreren tausend Metern sind mit enormen Kosten und hohen Risiken verbunden. „Das ist für eine Kommune allein nicht tragbar. Hier müsste es eine Solidargemeinschaft aus Bund und Land geben, die die Risiken von Testbohrungen absichert“, so der Rathauschef. Zudem müsste bei erfolgreichen Bohrungen ein umfassendes Nahwärmenetz in St. Ingbert gebaut werden. Das kostet Geld und Zeit. Auch diese Lösung will daher sorgfältig überlegt sein.
Das Fazit: „Wir nutzen eine Mischung aus den verschiedenen Energieträgern, um St. Ingbert zuverlässig mit Strom und Wärme zu versorgen“, so Jürgen Bach. „Dazu betreiben wir ein knapp 670 km langes Kabelnetz mit 24.000 Zählpunkten und 200 Transformatorstationen, die alle rund um die Uhr überwacht und gewartet werden. Das liegt uns im Rahmen unserer Verantwortung für die Daseinsvorsorge am Herzen.“ Die drei Anforderungen an die Energieversorgung – Verfügbarkeit, Bezahlbarkeit, Umweltschutz – können nur erfüllt werden, wenn jeder, Privatmensch, Unternehmen und öffentliche Hand, seinen Verbrauch so weit wie möglich drosselt, z. B. durch gute Wärmedämmung. Darüber hinaus sollte untersucht werden, ob bisher nicht genutzte Abwärme aus industrielle Prozessen in St. Ingbert für Nahwärmelösungen eingesetzt werden kann. Da der perfekte Energieträger nicht in Sicht ist, wird mittelfristig eine Kombination der bereits vorhandenen Lösungen der Königsweg sein. „Wir alle befinden uns in einer Umbruchphase. Ich bin optimistisch, dass kreative Techniker mit ihrem Fachwissen eine zukunftsfähige Lösung finden werden, die auch bezahlbar ist“, so Ulli Meyer. Ortsvorsteherin Irene Kaiser, die die Diskussion mit Interesse verfolgt, sieht die Stärke in der Kooperation: „Die Stadt St. Ingbert und die Stadtwerke arbeiten sehr gut zusammen. Ich bin mir sicher, dass wir gemeinsam einen für alle bezahlbaren Weg finden.“
Foto: Giusi Faragone
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