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Besonderer Besuch im Rathaus

Die Rundschau St. Ingbert

Es kommt nicht selten vor, dass Zimmermannsgesellen auf der Walz das Rathaus besuchen. Und es ist Tradition, dass der Rathauschef sich die Zeit nimmt und sie persönlich in seiner Stadt willkommen heißt.

Allerdings hatte bisher noch nie eine Friseurin auf Wanderschaft in roter Gesellenkleidung im Vorzimmer des Oberbürgermeisters vorgesprochen. So staunte Ulli Meyer nicht schlecht, als „Caro – fremde, freireisende Friseurin“ an seiner Bürotür anklopfte. Ganz, wie die Tradition es verlangt, trägt sie zuerst ihren Gesellengruß in bayerischem Dialekt vor, ursprünglich stammt Caro nämlich aus dem Garmischer Land. Vor und nach dem Gruß tippt sie mit ihrem Wanderstock aus gedrehtem Wurzelholz dreimal auf den Boden, als wolle sie sich Gehör verschaffen. „Meine Hochachtung vor Ihrem Mut, als junge Frau auf die Wanderschaft zu gehen und diese wunderbare Tradition zu leben. Von diesen Erfahrungen werden Sie bestimmt ein Leben lang zehren“, sagt Oberbürgermeister Ulli Meyer und verabschiedet sich mit den besten Wünschen für die Weiterreise.

Mit lachenden Augen erzählt sie von ihrer Wanderschaft durch die ganze Republik: „Im Saarland bin ich heute zum ersten Mal und ich hatte mir die Landschaft tatsächlich nicht so schön vorgestellt. Die Menschen hier sind nett und aufgeschlossen, ganz viele haben mich mit einem Lächeln begrüßt.“ Sie wolle heute aber noch weiterziehen nach Saarbrücken und sich die Landeshauptstadt anschauen, lässt sie den OB wissen. Im Gespräch mit der liebenswerten 25-jährigen Bayerin berichtet sie voll Freude von ihrer nun fast 4-jährigen Reise. Im Oktober möchte sie wieder nach Hause zurück, auf ein Wiedersehen mit der Familie freue sie sich sehr.

Drei kurze Jahre und ein langer Tag

Wer sich auf Wanderschaft begibt, muss mindestens „drei kurze Jahre und ein langer Tag“ unterwegs sein. An einem Ort darf man höchstens drei Monate verweilen. Meistens sei sie per Anhalter unterwegs, denn weder für die Fortbewegung noch für die Unterkunft darf sie Geld ausgeben. „Das ist aber in der Regel kein Problem. Noch immer wurde ich überall freundlich aufgenommen, wenn ich um eine Schlafmöglichkeit gebeten habe. Die schönste Erfahrung diesbezüglich war, dass mir ein fremdes Ehepaar ihre Wohnung überließ, während sie in Urlaub waren. Das nenne ich Gastfreundschaft“, erinnert sie sich mit einem Strahlen im Gesicht. Selten habe sie unter freiem Himmel übernachtet, und das nur, weil der Ort und der Sternenhimmel gerade so schön waren.

Auf die Frage, wo sie denn unterwegs Arbeit finde, antwortet sie: „Ich stelle mich in Friseurgeschäften vor und erkundige mich, ob ich aushelfen kann. Mein eigenes Werkzeug habe ich immer dabei und meistens gibt es auch was zu tun für mich.“

Ein Handy oder sonstige elektronische Geräte darf sie nicht besitzen, und sie vermisst diese auch nicht. Mit ihren Eltern telefoniert sie gelegentlich übers Festnetz oder schreibt eine Karte aus besonderen Städten in Deutschland.

„Außer Hamburg und Bremen habe ich alle Bundesländer besucht, die beiden im Norden werde ich wohl nicht mehr schaffen. Meine Reise geht ja bald zu Ende“, erzählt sie fast mit ein bisschen Wehmut in der Stimme.

Sie hat ihre Entscheidung, auf die Walz zu gehen, bis heute nicht bereut. Ganz im Gegenteil: Wer sich auf die Wanderschaft begibt, lebt in seinem ganz eigenen Tempo, entschleunigt und wirkt manchmal so ein bisschen wie aus der Zeit gefallen. Bestimmte Voraussetzungen müssen erfüllt sein. Grundsätzlich gilt: Wandergesellen dürfen maximal 30 Jahre alt sein, ebenso müssen sie ledig, kinderlos und schuldenfrei sein.

Bevor Caro weiterzieht, packt sie ihr Wanderbuch aus einer der zahllosen Taschen ihrer Zunftweste aus. Das Siegel der Stadt St. Ingbert steht direkt unter dem der Stadt Aschaffenburg. Das in Leder gebundene Buch verstaut sie anschließend sorgfältig in einer Tüte, damit es vor Nässe geschützt ist. Danach wickelt sie es in ein Baumwolltuch und verknotet dieses doppelt.

Und dann zieht unsere „Lady in red“ von dannen. Zum Abschied winkt sie noch einmal und wir wünschen ihr alles Gute und dass sie gesund zuhause ankommt. 

Foto: Maria Müller-Lang

Frederik Hartmann

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